Du hast dein Arbeitszeugnis bekommen und freust dich wie ein frischgebackener Keks über die gute Bewertung? Gratuliere! Aber bist du dir sicher, dass dein Zeugnis wirklich positiv ist? Oft verstecken sich hinter scheinbar harmlosen Sätzen Codes, die negative Botschaften transportieren. Wusstest du etwa, dass die Formulierung „Er zeichnete sich durch seine Pünktlichkeit und seine sorgfältige Arbeitsweise aus“ für viele Personalverantwortliche ein Warnsignal ist? Wir zeigen dir, nach welchen Formulierungen du Ausschau halten musst.
Wieso gibt es überhaupt Codes im Arbeitszeugnis?
Dein Arbeitgeber hat die Pflicht, dir ein Arbeitszeugnis auszustellen. Gleichzeitig sind negative Bewertungen, die es dir erschweren, einen neuen Job zu finden, nicht erlaubt. Wie kommen die Arbeitgeber aus der Nummer raus? Richtig. Sie haben mit der Zeit eine Reihe von Formulierungen entwickelt, dank derer sie zwischen den Zeilen negativ bewerten können.
Sprechen wir von „Codes“ im Arbeitszeugnis, so beziehen wir uns klarerweise auf das qualifizierte Arbeitszeugnis.
Von Sehr Gut bis Nicht Genügend
Bsp. „Das Verhalten von Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen war stets vorbildlich“
Zur differenzierten Bewertung deiner Arbeitsleistung bzw. deines Verhaltens wird indirekt nach dem Schulnotensystem vorgegangen. „Sehr gut“ oder „vorbildlich“ sind die Bestnote. Waren dein Verhalten oder deine Arbeitsleistung nur „gut“, dann hat deinem Arbeitgeber das letzte Quäntchen zu den ganzen 100% gefehlt. Schon eindeutig negativ sind Formulierungen wie „Das Verhalten gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen war befriedigend/hat unseren Erwartungen entsprochen/war einwandfrei.“ Ein „Nicht genügend“ wird nie explizit verwendet, stattdessen kommen Phrasen wie „Das Verhalten (….) gab keinen Grund zur Klage/war in Ordnung“ zum Einsatz.
Stets, im Großen und Ganzen oder im Wesentlichen?
Bsp. „Wir danken Frau Mustermann für ihre stets sehr guten Leistungen.“
„Stets“ ist das Power-Wort in deinem Arbeitszeugnis. Nehmen wir die Zufriedenheit mit deiner Leistung als Beispiel: „Wir waren mit ihrer sehr guten Leistung stets höchst zufrieden“ ist eine glatte Eins. Im Gegensatz dazu sind „weitgehend zufrieden“, „im Großen und Ganzen zufrieden“, „meistens zufrieden“, oder „im Wesentlichen zufrieden“ keine besonders gute Werbung für dich. Zwangsläufig kommt hier die Frage auf, wie oft der Arbeitgeber eigentlich nicht zufrieden war – und wer will schon Zufriedenheitslotto spielen?
Bemüht und voller Eifer
Bsp. „Herr Mustermann erledigte seine Arbeit stets mit mit vollem Eifer.“
Eine gute Sache, sollte man meinen. Ist es aber nicht. Vokabel wie „mit vollem Eifer“, „bemüht“, „interessiert“, „bestrebt“, „tüchtig“ weisen potentielle Arbeitgeber darauf hin, dass die Bemühungen erfolglos geblieben sind. Da kann selbst das Wörtchen „stets“ nichts mehr retten.
Pünktlichkeit und andere Selbstverständlichkeiten
Bsp. „Er zeichnete sich durch seine Pünktlichkeit und seine sorgfältige Arbeitsweise aus“
Kommen wir zu unserem anfangs genannten Beispiel zurück. Was ist falsch an Pünktlichkeit und Sorgfalt? Gegenfrage: Was macht der Arbeitgeber, wenn es über die Leistungen seines ehemaligen Mitarbeiters nichts Positives zu berichten gibt? Richtig: Er füllt das Zeugnis mit Belanglosigkeiten und Selbstverständlichkeiten.
Weitere Lückenfüller sind: „Sie hielt ihre Termine stets ein“, „Sie verfügte über viel Fachwissen“, „Er ist sehr gut ausgebildet“, oder „Sie setzte all ihre Fähigkeiten für das Wohl der Firma ein“.
Weitere Formulierungen, nach denen du Ausschau halten musst
Neben den genannten Beispielen, gibt es endlos viele weitere Codes, die sich zwischen ganz harmlosen Formulierungen verstecken. Wir haben die häufigsten zusammengestellt:
- „Sie zeigte im Umgang mit Vorgesetzten und Kollegen stets erfrischende Offenheit“ (sie war frech)
- „Das Verhalten von Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen gab im Allgemeinen keinen Anlass zur Beanstandung“ (weder die Vorgesetzten, noch die Kollegen mochten sie)
- „Sie war stets höflich und korrekt“ (sie war verschlossen und unzugänglich)
- „Durch sein/ihr aufgeschlossenes Wesen war sie bei den Mitarbeitern sehr beliebt“ (sie war geschwätzig)
- „Er war ein kritischer Mitarbeiter“ / „Er hinterfragte seine Aufgaben stets kritisch und machte Verbesserungsvorschläge“ (er war aufmüpfig und nörgelte rum)
- „Sie bewältigte Aufgaben stets im Alleingang“ (sie ist nicht teamfähig)
- Adjektive wie „überlegt“, „ordentlich“, „ordnungsgemäß“, „pflichtbewusst“ und „sorgfältig“ deuten an, dass du nicht sehr entscheidungsstark bist und keine Eigeninitiative zeigst
- „Sie führte konsequent/straff“ (sie führte sein Team autoritär)
- „Er trat engagiert für die Interessen der Kollegen ein.“ (er war im Betriebsrat tätig.
- „Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei (Er trinkt während der Arbeitszeit)
Codes in der Schlussformel
Bsp. „Wir bedauern das Ausscheiden von Frau Mustermann sehr, da wir eine wertvolle Mitarbeiterin verlieren. Wir bedanken uns für die stets guten Leistungen und wünschen ihr alles Gute für die Zukunft und weiterhin viel Erfolg.“
Die Zeilen am Ende deines Arbeitszeugnisses erscheinen auf den ersten Blick unscheinbar und irrelevant, doch sie sind enorm wichtig. In einem guten Zeugnis bedankt sich der Arbeitgeber für die Arbeit des Mitarbeiters, bedauert dessen Ausscheiden und wünscht ihm abschließend alles Gute für die Zukunft – wie im oben angeführten Beispiel.
Doch auch hier gilt: Auf die Details kommt es an. Wird das Ausscheiden„sehr“ bedauert, oder nur „bedauert“? Kommt das Wörtchen „stets“ vor? Wird die Schlussformel noch einmal genutzt um die Qualifikationen des Mitarbeiters zu betonen oder Wertschätzung auszudrücken („wertvolle Mitarbeiterin“)? Oder wird hier nochmals hervorgehoben, dass die Mühen der Mitarbeiterin ohne Ergebnis waren („Wir bedanken uns bei Frau Mustermann für Ihr Streben nach guten Leistungen“).
Gefeuert oder freiwillig gegangen?
Bsp. „Er schied im beiderseitigen Einvernehmen aus“
Hättest du gewusst, dass diese Formulierung auf eine Kündigung seitens des Arbeitgebers hinweist? Einzig „im besten beiderseitigen Einvernehmen“ bedeutet, dass es sich tatsächlich um eine einvernehmliche Aufhebung handelt. Die beste Formulierung für den Abgangsgrund ist: „Er verlässt uns auf eigenen Wunsch“ gefolgt von Wünschen für die Zukunft.
Du denkst, es wäre eine gute Idee den Abgangsgrund komplett wegzulassen? Nope, sorry! Fehlt diese Angabe, so wird der potentielle neue Arbeitgeber es garantiert negativ auslegen und Differenzen zwischen den beiden Parteien vermuten.
Schlechtes Arbeitszeugnis – was jetzt?
Hast du ein paar heikle Formulierungen in deinem Zeugnis entdeckt? Kein Grund das Schreiben in den Müll zu werfen! Wenn du nicht zufrieden bist, dann formuliere einen Gegenvorschlag und suche das Gespräch mit deinem Arbeitgeber. Ist das Zeugnis mangelhaft oder sind eindeutig negative Formulierungen enthalten, dann kannst du das Zeugnis sogar vor dem Arbeitsgericht auf Berichtigung klagen.
Übrigens: Nicht immer sind falsche Formulierungen auf Böswilligkeit oder gekränkten Stolz des ehemaligen Arbeitgebers zurückzuführen. Besonders bei kleinen oder neuen Unternehmen kann es der Fall sein, dass sie diese Codes gar nicht kennen und völlig unbeabsichtigt eingebaut haben. Umso wichtiger ist es, dein Zeugnis sorgfältig zu prüfen!
Lesetipp: Broschüre der Arbeiternehmerkammer Bremen zum Thema Arbeitszeugnis